Die Notwendigkeit der Solidarität Nach der Verhaftung von Daniela Klette geht es auch um Aneignung linker Geschichte
„Freiheit für alle politischen Gefangene“, riefen am 14. April ca. 40 Menschen vor der Haftanstalt für Frauen in Vechta.„Selbst einen Kugelschreiber darf sie nicht besitzen, weil es ein gefährlicher Gegenstand ist“, zitiert Ariane Müller am Sonntag aus den Informationen von Klettes Rechtsanwalt Lukas Theune. Die Krankenschwester Müller hatte bereits die erste Kundgebung vor der JVA Vechta angemeldet und darf seitdem ihren Beruf nicht mehr weiter ausüben. „Ich lasse mich davon aber nicht einschüchtern und nehme mein Grundrecht war, wenn ich eine Kundgebung anmelde“, betonte Müller.
Unter den Teilnehmer*innen waren viele Menschen, die sich seit Jahrzehnten für politische Gefangene einsetzen, wie Wolfgang Lettow, dem Herausgeber der Zeitschrift Gefangeneninfo. Auch Fritz Storim las ein selbstgeschriebenes Gedicht vor. Er war Ende der 1980er Jahre selber mehrere Jahre inhaftiert, weil er presserechtlich für die autonome Zeitung Sabot verantwortlich gemacht wurde.
Die Notwendigkeit der Solidarität
Aus der Justizvollzugsanstalt Tegel schrieb Andreas Krebs eine Grussadresse an Daniela Klette. Er rief zur Solidarität mit den Menschen hinter Gittern auf. Die Anarchistin Hanna Poddig hatte ein Schild gemalt, auf dem eine an die Justizbehörden gerichtete Parole. „Eure tollen Gesetze, Isolation, Überwachung und Hetze“. „Ich habe wegen einer antimilitaristischen Blockade selber für einige Wochen in der JVA gesessen und setze mich für die Rechte aller Gefangenen ein“, betont Poddig.Neben vielen älteren Menschen nahmen auch einige sehr junge Menschen aus verschiedenen Städten an der Kundgebung teil. Obwohl die Teilnehmer*innenzahl klein war, zeigte sich Wolfgang Lettow zufrieden, dass die Haftbedingungen von Klette kritisiert werden. „Auch in anderen europäischen Ländern gab es kleine Solidaritätsaktionen für Daniela Klette, darunter in Zürich und in Belgien“, betonte er.
Isolationshaft damals wie heute
In den nächsten Wochen sind Informationsveranstaltungen zu Daniela Klette und der langen Geschichte des Kampfes gegen Isolationshaft geplant, darunter am 10. Mai im Centro Sociale in Hamburg. Dort wird es auch um die Geschichte der Isolationshaft gehen, die in den 1970er Jahren nicht nur radikale Linke sondern auch Linksliberale beschäftigte, aber heute kaum noch bekannt ist. Das macht es Konservativen leicht zu behaupten, dass es Isolationshaft nie gegeben hat und es sich um RAF-Propaganda handeln würde. So argumentiere der konservative Publizist Sven Felix Kellerhoff in einem langen Artikel in der Welt von Anfang April.Dort wirft er dem Rechtsanwalt von Daniela Klette, Lukas Theune vor, so zu agieren, wie die Verteidiger*innen von RAF-Angeklagten in den 1970er Jahren. Damit bewegt er sich in einer rechten Tradition. Schon vor 50 Jahren führten die Angriffe auf linke Anwält*innen zu massiven Einschränkungen der Rechte der Verteidigung. Anwält*innen wurden Opfer von rechten Angriffen und von staatlicher Repression, wie z.B. die Kanzlei Croissant in Stuttgart.
Isolation ist Folter
Darauf weisst auch der in Köln lebende Klaus Jünschke hin, der in einem Aufruf davor warnt, zu den Haftbedingungen der 1970er Jahre zurückzukehren. Jünschke erinnert auch daran, dass es eine jahrelange wissenschaftliche Beschäftigung mit den Folgen von Einzelhaftbedingungen auf die Gefangenen gibt. Aus diesen Erkenntnissen ist die Parole „Isolationahaft ist Folter“ entstanden.Mit Befremden verfolgt Jünschke die Medienberichterstattung nach der Verhaftung von Klettte. „Was machten die Journalist*innen eigentlich, die über die RAF schrieben und berichteten, wessen Interessen verfolgten sie, mit welchen Konsequenzen und mit welchem Ziel gingen sie ihrer Arbeit nach, dass heute immer noch behauptet werden kann, Isolationshaft ist eine Propagandamärchen der RAF?“ Hier kann der vollständige Aufruf von Jünschke weitergelesen werden.
Den Aufruf verfasste Jünschke, nachdem in vielen Zeitungen vor allem des Springer-Konzerns wieder Dinge zu lesen sind, die bereits vor 50 Jahren falsch waren. Da wird jede Kritik an den Haftbedingungen als RAF-Propaganda abgetan und Anwält*innen, die sich für ihre Mandant*innen einsetzen, werden diffamiert, wie der Text von Kellerhoff zeigt.
Erklärung zur Gewaltfrage
Aber es gibt auch Gegenstimmen. Dazu zählt neben Jünschkes Aufruf auch der Text „Erklärung Gewaltfrage“ der Schriftstellerin Stephanie Bart, der in der Zeitschrift analyse und kritik vom März abgedruckt war und hier nachgelesen werden kann. Die Autorin des Buches „Erzählung zur Sache“, in der sie aus Texten und Erklärungen der RAF Literatur macht, positioniert sich in ihren jüngsten Text sehr deutlich:„Die Gewaltbilanz der Roten Armee Fraktion, das sind 34 Tote in 28 Jahren, steht gegenüber der Gewaltbilanz des von ihr bekämpften Kapitals, das ist kein Tag ohne Krieg und Hunger, das sind die Massengräber im Mittelmeer und in der mexikanischen Wüste, das sind Obdachlose bei leerstehenden Häusern, das ist die Vernichtung von Nahrungsmitteln bei Hunger, das ist die Extraktionsindustrie, das ist die Vernichtung der Lebensgrundlage der Menschheit und zahlloser anderer Lebewesen: das ist der Ökozid.“