Solidarität mit Daniela Info Nr. 6 / 2. Juni 2024
„Die Solidarität lässt für sie, so sagt Daniela, die Sonne aufgehen“
—————————————————————————————–
am 8. Juni und am 10. Juni 2024 werden in Magdeburg (Veranstalter: der Infoladen) und Berlin (Veranstalter: Netzwerk für alle Gefangenen Berlin) zwei Veranstaltungen stattfinden.
In Magdeburg am 8. Juni 2024 um 14.00 Uhr im Infoladen, Alexander-Puschkin-Str.20
In Berlin am 10. Juni 2024 um 19 Uhr
im Info- & Stadtteilladen Lunte, Weisestr. 53
Der Aufruf für die beiden Veranstaltungen:
Am 26.2. 2024 wurde Daniela Klette, die wie auch Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub als ehemaliges RAF-Mitglied über 30 Jahre gesucht wurde, in Berlin festgenommen.
Daniela war 2 Monate in der JVA Vechta Isolationshaft/Folter, permanenter Videoüberwachung und durchgehender Zensur ausgesetzt. Gegen diese Haftbedingungen gab es massiven öffentlichen Protest. Inzwischen wurden die Haftbedingungen etwas gelockert: Isolationshaft und Videoüberwachung wurden aufgehoben, die Sichtblende nach draußen wurde entfernt.
Von der Klassenjustiz wird ihr vorgeworfen:
Verschiedene Geldbeschaffungsaktionen zwischen 1999 und 2016 sowie 3 Angriffe der RAF aus den neunziger Jahren.
Auch Ariane, die die Knastkundgebungen für Daniela im März und April angemeldet hatte und in der Solidaritätsarbeit zu Daniela aktiv ist, ist von Repression und Hetze betroffen und deshalb von ihrer Arbeit als Krankenschwester freigestellt worden.
Die Fahndung genannte Menschenjagd auf Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub geht unvermindert weiter!
Wir werden auch von der zahlreichen und vielfältigen Solidarität berichten, wie zum Beispiel von dem Internationalen Aktionstag der Roten Hilfe International, der am 14.4.24 stattfand und den Veranstaltungen am 8. und 10.5. 24 in Hamburg:
Es ging dabei um Daniela Klette und den anderen, die sich auch der Staatsmacht entziehen (die ehemaligen Mitglieder der RAF aber auch die zahlreichen Antifaschist:innen in den Antifa-Ost- und Budapest-Verfahren).
Auf unserer Veranstaltung sind Ariane und weitere Aktivist:innen vom „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen“ anwesend.
—————————————————————————————————————–
Die nächste Kundgebung vor dem Knast in Vechta ist am Sonntag, d. 16. Juni 2024 um 14:00 Uhr
—————————————————————————————————————–
Ein kurzer Bericht vom Besuch bei Daniela am 29. Mai 2024
Ende Mai konnte ich endlich Daniela besuchen. Es hat zweieinhalb Monate gedauert, ehe die Genehmigung da war. Die Vorfreude war natürlich bei ihr und bei mir riesengroß. Daniela kann jede Woche für eine Stunde Besuch empfangen.
Der Besuch fand ohne Trennscheibe statt. Anwesend waren 2 Beamte vom BKA, die beide relativ nahe bei uns saßen, dies war sehr unangenehm. Wir beide selbst saßen an einem Tisch gegenüber. Die BKA-Beamten haben alles mitgeschrieben. Zusätzlich war noch ein Bediensteter der JVA im Raum anwesend. Das ganze Gespräch wurde außerdem noch per Video überwacht.
Daniela kam 15 Minuten später als geplant, weil sie sich wieder umziehen musste. Daniela hatte sich für den Besuch extra „schick“ gemacht. Sie musste aber einen anstaltseigenen grauen Jogginganzug anziehen. Ich brauche ja wohl nicht zu betonen, dass wir beide vorher gründlich durchsucht wurden. Mir wurde vorher von den BKA-Beamten erklärt, dass ich Daniela nur die Handgeben und nicht umarmen durfte. Als wir uns dennoch am Anfang umarmten, griffen gleich die Beamten ein.
Daniela geht es unter diesen seit Mitte bzw. Ende April geänderten Haftbedingungen (sie hat eine Stunde mit den anderen Frauen Hofgang und zwei Stunden Aufschluss, es kommt Tageslicht in ihre Zelle) relativ gut. Wir haben uns über „alles“ unterhalten, wir kamen von einem Punkt zum anderen. Wir konnten daher bei unserem ersten Besuch die ganzen vielen Punkte teilweise nur anreißen. Gesprächsthemen waren u.a. die beiden Veranstaltungen in Hamburg, die Kundgebungen und so weiter. Sie verfolgt sehr interessiert das politische Geschehen.
Am Anfang war es für mich wieder „neu“ unter diesen Bedingungen, Daniela zu besuchen. Die letzten Besuche bei den damaligen RAF-Gefangenen lagen weit über 30 Jahre zurück. Damals fanden wegen §129a alle Besuche mit einer Trennscheibe statt. Im Laufe des Besuches machst du aber etwas „frei“ von diesen Überwachungsrahmen. Na klar, du musst dir jedes Wort, jeden Satz überlegen, was kannst du sagen.
Daniela hat sich gefreut über die Kundgebungen und über die nächsten Veranstaltungen in Magdeburg und Berlin. Auch findet sie gut, dass im September in Bremen ein bundesweites Treffen in Zusammenhang mit einer weiten Kundgebung in Vechta stattfinden wird. Daniela freut sich sehr über jeden postalischen Kontakt.
Daniela wird wohl aus zeitlichen Gründen nicht immer alle Post beantworten können, was sie aber gerne machen würde. Leider hat der Tag für Daniela auch nur 24 Stunden.
Als die JVA-Angestellten Daniela wieder abholten, konnten wir uns die Hand geben, wir wollten uns auch noch umarmen, da aber passten die beiden BKA-Beamten aber auf. Es wäre zu schön gewesen, wenn wir beide gemeinsam das Gefängnis hätten verlassen können …… leider sieht die Realität anders aus. Für uns beide war es ein sehr schöner, menschlich emotionaler Besuch.
Hinterher fragten mich die beiden BKA-Beamten, ab wann ich denn Daniela kennen würde oder ob der Kontakt erst nach ihrer Verhaftung erfolgt sei. Ich antwortete, sie hätten doch jedes Wort unserer Unterhaltung notiert. Ich fragte noch nach, warum sie es wissen möchten. Die BKA-Beamten sagten, wenn ich Daniela aus früheren Zeiten kennen würde, müsste die Staatsanwaltschaft mich als Zeugin vorladen.
a.
Weitere Veranstaltungen sind geplant in Bielefeld, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart und Wuppertal. Wenn Gruppen bzw. Städte Interesse haben, ebenfalls Veranstaltungen durchzuführen, wäre es gut, wenn diese dann mit der Soligruppe „Solidarität mit Daniela“ Kontakt aufnehmen unter:
In den nächsten Tagen wird die neuste Ausgabe des Gefangenen-Info erscheinen. Ein Schwerpunkt ist die Situation von Daniela und die Solidarität mit ihr.
Die Rote Hilfe, Ortsgruppe Berlin, hat ja ein Solikonto eingerichtet. Zu dem Betreff „Daniela“ eingehende Spenden werden entsprechend verbucht:
Die Kontoverbindung der OG steht auf der Homepage https://www.berlin.rote-hilfe.de/aktiv-werden/spenden-solikonten/ und lautet:
Rote Hilfe e.V.
GLS-Bank
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS
Die Adresse von Daniela:
Daniela Klette
Justizvollzugsanstalt für Frauen
An der Propstei 10
49377 Vechta
Overton Magazin vom 22. Mai 2024 von Ralf Streck
Strafe für angebliche RAF-Solidarität einer Betriebsrätin wird zum teuren Rohrkrepierer
Dass mit Ariane Müller eine engagierte Betriebsrätin der Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno) in Bremen geschasst wurde, weil sie privat im März eine Kundgebung legal angemeldet hatte, wird für den Steuerzahler nun teuer. Damit wollte die als „Bremerin des Jahres 2021“ ausgezeichnete Frau auch auf die Isolationshaft des mutmaßlichen Ex-RAF-Mitglieds Daniela Klette hinweisen, die im Februar in Berlin verhaftet wurde. Das ist ein Beispiel dafür, wie in einer skandalisierten Cancel Culture-Gesellschaft Grundrechte leichtfertig von fast allen Seiten geopfert werden.
Beim Versuch, demokratische Grundrechte stark zu beschneiden, ist die Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno) in Bremen gegenüber der Krankenschwester und Betriebsrätin letztlich auf die Nase gefallen. Allerdings hat sich neben der Geno-Leitung auch der Betriebsrat der Klinik wahrlich nicht als Verteidiger der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit gezeigt. Im Verbund mit diversen Medien haben beide an der Skandalisierung eines Vorgangs gearbeitet, der völlig legal und durch nichts zu beanstanden war. Das hat nun zunächst teure Konsequenzen für die Klinik und die Steuerzahler, denn der Nachtschwester Ariane Müller muss eine hohe Abfindung als Entschädigung gezahlt werden.
Man habe sich im „gegenseitigen Einvernehmen“ getrennt, hat die Geno-Sprecherin Karen Matiszick erklärt. Zu „Details der Trennung“ und dem peinlichen Vorgang will sich die Geno aber nicht äußern, wie sie in ihrem kurzen Statement deutlich machte, das auch in der Tagesschau zu sehen war. Dass eine Abfindung bezahlt werden musste, hat Matiszick auf eindeutige Nachfrage nicht dementiert und damit real bestätigt.
Im Overton-Gespräch durfte sich aber auch Müller zu Details nicht äußern, da „gegenseitiges Stillschweigen“ vereinbart worden sei. Allerdings hat Overton aus gut informierten Kreisen erfahren, dass ein hoher Betrag von etlichen zehntausend Euro für das Ausscheiden geflossen sind. Denn es war klar, dass die standhafte Müller sich auch gegen diesen Vorgang juristisch wehren würde. Die Aussichten, auch dieses Verfahren zu gewinnen, standen nach Ansicht von juristischen Koryphäen sehr gut. Deshalb ist die Klinik eingelenkt, die trotz Personalmangel nun eine kompetente Mitarbeiterin weniger hat, schließlich drohten auch strafrechtliche Konsequenzen.
Private Anmeldung einer Kundgebung führte zur „Freistellung“
Im Hintergrund eines weiteren Versuchs, sie aus der Klinik zu werfen, stand die private Anmeldung einer Kundgebung vor dem Frauengefängnis im niedersächsischen Vechta. Die stand unter dem Motto „Solidarität mit Daniela“. Gemeint war Daniela Klette, die im Februar als mutmaßliches Ex-Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) in Berlin verhaftet worden war. Ein lokales Medium fabulierte zur Kundgebung sogar von einer „RAF-Solidaritätsdemo“ und auch in großen Medien wurde der Vorgang breitgetreten. Die Bild-Zeitung berichtete und stellte dazu groß ein Bild von Müller ins Blatt. Denn die kämpferische Nachtschwester hatte die Kundgebung für die Gruppe „Solidarität mit Daniela Klette“ für den 17.3. im Rahmen des 18. März angemeldet. Der Tag wird von einigen Initiativen als „Tag der politischen Gefangenen“ begangen.
Bild titelte: „Anmelderin von Klette-Demo verliert Job“. Es handelte sich dabei um eine bewusst erzeugte Skandalisierung. Die führte sogar dazu, dass die CDU populistisch zu einer Gegendemonstration in Vechta aufgerufen hatte. Ganz im Stil des Deutschen Herbsts stand die unter dem Motto: „Nein zu Terror! Nein zu Gewalt! Keine Solidarität für Täter.“ Man tat also so, als gäbe es die RAF noch. Man lehne „jede Form der Solidarität mit Terroristen“ ab, wird Klette schon verurteilt. Beweise für ihre RAF-Mitgliedschaft oder der Teilnahme an deren Aktionen fehlen allerdings. Ohnehin hat sich die Gruppe schon vor 25 Jahren aufgelöst. Demonstrationen gegen den andauernden rechten Terror, der CDU-Politiker wie Walter Lübcke sogar tödlich getroffen hat, vermisst man allerdings nicht nur in Vechta.
Im Bild-Bericht war natürlich viel falsch, verzerrt oder schlicht vorverurteilend. Tatsächlich war Müller nur „freigestellt“, wie im Text dann auch später zu lesen war. Allerdings wurde auch hier mit Auslassungen agiert. Denn die Klinik-Leitung hatte sie zunächst nur bis zur „Klärung“ der Vorgänge beurlaubt. Dabei wurde Müller allerdings sogar schriftlich ein Kontaktverbot mitgeteilt. Sie dürfe nun das Klinikgelände nur „nach ausdrücklicher Zustimmung“ betreten und „ohne vorherige Zustimmung auch keinen Kontakt zu unseren Beschäftigten aufnehmen“. Damit wurde massiv in ihr Privatleben eingegriffen und zudem ihre Tätigkeit als Betriebsrätin ausgehebelt. Sogar Müllers dienstliche E-Mail-Adresse wurde im Rahmen der Sanktionen gesperrt, so dass sie im Zuge ihrer Tätigkeit nicht einmal ankommende E-Mails der Kolleginnen und Kollegen lesen konnte.
Die Rolle des Betriebsrats im Umgang mit einer Kollegin
Statt eine Kollegin – noch dazu Betriebsrätin – zu verteidigen, übte sich der Betriebsrat auf einer Sondersitzung in vorauseilendem und zudem in vorverurteilendem Gehorsam. Der hatte so den Weg für das Vorgehen der Geno gegen die Krankenschwester freigemacht. So hatte der Betriebsrat auf einer eilig einberufenen Sondersitzung beschlossen, Müller von der Position als freigestellte Betriebsrätin abzuwählen. Sie musste unter „Bewachung“ ihr Büro ausräumen, dabei seien Kollegen sogar daran gehindert worden, ihr dabei zu helfen, erklärt sie im Gespräch.
Nach ihrer Abwahl als freigestellte Betriebsrätin änderte sich nämlich nichts daran, dass die Anführerin der Liste „Uns reicht’s“ weiter Betriebsrätin war und die Beschäftigten vertreten muss. Müller geht davon aus, dass sich die Firmenleitung und Betriebsrat gegenseitig die Bälle zugespielt haben. „Denn die hätten mich ja nicht von der Arbeit entbinden können, solange ich freigestellte Betriebsrätin bin.“ Der Vorgang lässt sich sogar in der Geno-Pressemitteilung nachvollziehen. Die Abwahl als freigestellte Betriebsrätin sei „eine Mitvoraussetzung“ dafür gewesen, dass auch die Geno und das Klinikum Bremen-Mitte „als Arbeitgeber reagieren und die Mitarbeiterin bis zur Klärung des Falls freistellen“ könne, heißt es da.
Es ist ein unsäglicher Vorgang, dass eine Beschäftigtenvertretung nicht deren Interessen vertritt, sondern aktiv dazu beiträgt, Beschäftige aus dem Haus kegeln zu wollen. Und das war, das sei vorweggenommen, im Fall Müller nicht das erste Mal. Hier sollte die zuständige Gewerkschaft endlich eingreifen. Der Betriebsratsvorsitzende Manfred Kölsch hat sich jedenfalls auf Nachfrage des Autors nicht zu den Vorgängen geäußert. Zu der Abwahl von Müller hatte er allerdings erklärt, man wolle „ein Zeichen setzen, dass wir uns vom Handeln dieser Person deutlich distanzieren“. Die Entscheidung sei „eindeutig“ gewesen, da „die Situation unzumutbar“ war. Dass das in der Pressemitteilung der Klinik zu lesen ist, zeigt auch an, dass dem Betriebsratschef offenbar jegliche Distanz zur Firmenleitung fehlt. Man fragt sich deshalb, welche Interessen er real vertritt.
Die Berliner „taz“ merkte zudem an, dass auch der „Beschluss des Betriebsrats rechtswidrig sein“ dürfte, da an dem Aufruf zur Kundgebung nichts unzulässig war, ja sogar „die Fehler“ der RAF benannt wurden. So wird auch ausgeführt, dass außerhalb des Schuldiensts ein solcher Vorgang noch nicht einmal in der Zeit der Berufsverbote für spürbare Repressionen gereicht hätte. So hatte die Geno-Sprecherin auch nicht einmal erklären können, auf welcher Grundlage arbeitsrechtliche Konsequenzen geprüft wurden. Dass es real keine Handhabe gab, ist nun geklärt.
Cancel Culture
Tatsächlich, das ist auch aus der Gewerkschaft Verdi zu vernehmen, ist allen klar, dass es nicht Müller war, die irgendeinen Bezug zu ihrer Tätigkeit in der Geno, als freigestellte Betriebsrätin oder als Gewerkschaftsmitglied hergestellt hatte. Das taten die Geno und ihr Betriebstrat. Die Bremerin des Jahres hat stets rein privat agiert und betont das im Gespräch auch. Sie hat nichts Ungesetzliches getan und auch auf der Kundgebung ist nichts passiert, wie sogar die Polizei bestätigt hat. So kritisierte auch die taz, dass man es inzwischen mit einer „seltsamen informellen Repression“ zu tun habe. Die werde „von einer Angst“ angetrieben, „die bei manchen offenbar sofort einsetzt, wenn eine Schlagzeile aufploppt“.
Genau das ist Cancel Culture, wie das auch Michael Meyen im Overton-Gespräch erklärt hat: „Macht hat der, der seine Interpretation in der Öffentlichkeit platzieren kann“, erklärt er zu dem überall präsenten Vorgang. Meyen hat ein Buch zum Thema geschrieben: „Cancel Culture. Wie Propaganda und Zensur Demokratie und Gesellschaft zerstören.“ Er spricht über eine „Zensur ohne Zensor“ und führt aus, dass diese Form der Zensur von den Leitmedien und vom Digitalkonzernstaat ausgeht. Sie sei „kein Zufall“, sondern „ein Programm“, das die Deutungshoheit sichert und damit Macht.
Der Bericht der Bild-Zeitung ist ein Paradebeispiel dafür. Es wird massiv geframt und aus den etwa 50 Teilnehmern der Kundgebung werden quasi Terrorismus-Sympathisanten gemacht, obwohl sie nur an einer angemeldeten und genehmigten Kundgebung teilgenommen haben. Auf der wurde sogar ausdrücklich erklärt, dass man nicht die längst aufgelöste RAF unterstütze, sondern vielmehr „allen Gefangenen Solidarität und Grüße“ übermitteln wolle. Die Kundgebung, sowohl eine weitere, die ebenfalls von Müller angemeldet wurde, prangerte auch die alte Tradition der Isolationshaft aus dem Deutschen Herbst an.
In dem Bild-Bericht wurde zudem die Unschuldsvermutung gegenüber Klette ignoriert, ein Fall für den Presserat und für Klettes Anwälte. Sie ist ein grundlegendes Merkmal einer Demokratie. Klette wurde auch dabei als „RAF-Terroristin“ bezeichnet. Dabei hat ein Mensch so lange als unschuldig zu gelten, bis er rechtskräftig verurteilt wurde. Doch in der geframten Vorverurteilung, in der dann auch RAF-Sympathisanten geschaffen werden, fehlt sogar das Wort „mutmaßlich“, dass ansonsten bisweilen in Berichten zu den Vorgängen zu finden ist. Aber auch in öffentlich-rechtlichen Medien fehlt gerne dieses wichtige Wort, wo von einer „Ex-RAF-Terroristin“ gesprochen wird.
Klar ist aber eigentlich nur, dass nach Klette über mehr als 30 Jahre gefahndet worden war. Dass das kein Schuldbeweis ist, sollte ebenfalls längst bekannt sein. Auch nach dem angeblichen Attentäter des Chefs der Deutschen Bank Alfred Herrhausen wurde viele lange Jahre gefahndet. Nach dessen Rückkehr aus dem Exil bestätigte sogar der Verfassungsschutz, dass die Angaben eines ehemaligen Spitzels frei erfunden waren. Klar ist, dass auch Christoph Seidler wie andere, die einst die Plakate nach gesuchten RAF-Terroristen zierten, nie in der Gruppe war. Solche Vorgänge bezeichnete die Solidaritätsgruppe für Klette „Menschenjagd“.
Denn unklar ist, ob Klette Mitglied einer Organisation war, die sich schon vor 25 Jahren aufgelöst hat. Das ist zunächst nur eine Behauptung der Staatsanwaltschaft, die sie wohl noch nicht einmal beweisen muss. Denn dieser Vorwurf ist nach Ansicht von Juristen längst verjährt. Vorgeworfen werden Klette zudem versuchter Mord, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle mit Schusswaffen. Was davon bewiesen werden kann, wird sich im Verfahren gegen sie noch zeigen müssen.
Insgesamt drängt sich bei dem Vorgang eher Eindruck auf, dass sowohl die Geno als auch der Betriebsrat den Vorgang genutzt haben, um eine unbequeme Beschäftigte loszuwerden. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass die engagierte und als „Frau des Jahres“ in Bremen ausgezeichnete Müller angeschwärzt und beurlaubt wurde. Schon einmal war ein Versuch kläglich gescheitert, sie über einen konstruierten angeblichen Abrechnungsbetrug zu schassen. Auch vor zwei Jahren wurde sie freigestellt und auch daran habe der Betriebsratsvorsitzende ebenfalls federführend mitgestrickt, erklärte sie gegenüber Overton. Die Vorwürfe waren schlicht falsch und Müller musste rehabilitiert werden.
Dass man in der Geno und im Betriebsrat nun eher kleinlaut ist und sich auf eine teure Abfindung eingelassen hat, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die streitbare Müller mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine teure juristische gewonnen hätte. Eine juristische Koryphäe wie Wolfgang Däubler erklärte, es sei „verboten, jemanden wegen einer Meinungsäußerung zu benachteiligen“. Der ausgezeichnete Kenner des Betriebsverfassungsgesetzes und ehemaliger Professor für Arbeitsrecht hält den gesamten Vorgang für problematisch. Die Chancen seien auch deshalb besonders gut, da ein „unsachlicher Grund“ in der Begründung gegen Müller angeführt wurde. „Sie soll wegen ihrer Meinung und wegen eines Verhaltens in der Freizeit gemaßregelt werden. Das geht natürlich nicht.“ Dazu kommt, dass die Behinderung von Betriebsratsarbeit sogar strafrechtliche Folgen haben kann. Somit wird klar, warum die Geno an einer gütlichen Einigung stark interessiert war.
Hat der Betriebsrat nur einen Anlass gesucht, um sie loszuwerden?
Nach sage und schreibe 50 Jahren, in denen Müller über ihre Pensionierung hinaus in der Geno gearbeitet hat, ist sie nun aber raus, obwohl die 70-Jährige, „gerne noch ein paar Jahre länger“ in der Klinik gearbeitet hätte, wie sie im Gespräch erklärt. Entsetzt ist sie vor allem vom Verhalten des Betriebsrats. „Das war die einzige wirklich negative Erfahrung.“ Der habe nur einen Anlass gesucht, um sie loszuwerden, da „ich zu unbequem, zu kritisch bin und mich zu sehr für die Beschäftigten einsetze“.
Sie bemängelt aber auch, dass sich ihre Gewerkschaft Verdi bisher nicht offiziell zu den Vorgängen geäußert hat. Sie streicht aber positiv heraus, dass sich Verdi-Mitarbeiter und auch etliche Kollegen sowie der zuständige Gewerkschaftssekretär Jörn Bracker solidarisch hinter sie gestellt und sie auch umarmt haben. Besonders hat sie gefreut, dass ein Arzt der Klinik nach dem Dienst extra zu ihr raus aufs Land gefahren sei. „Der hat Samstagfrüh bei mir geklingelt“, erklärte sie, „um mir den Rücken zu stärken.“ „Auch beim Einkaufen hat mich hier niemand schief angeschaut“, erklärt die in der Gegend bekannte engagierte Krankenschwester. In ihrem Umfeld habe sie überhaupt keine negativen Erfahrungen gemacht. Sogar ein höherer „CDU-Mann“, den sie persönlich gut kennt, habe sich klar solidarisch gezeigt.
Ariane Müller ist eine standhafte Frau, die sich zu wehren weiß. Sie war, weil sie „zu links war“, sogar einst selbst von Berufsverbot betroffen. Sie durfte deshalb 1978 und 1979 nicht in einem öffentlichen Krankenhaus arbeiten, nachdem die damals übliche Regelabfrage negativ ausfiel. Als dann in Hamburg diese Anfrage abgeschafft worden war, habe sie wieder in einem öffentlichen Krankenhaus arbeiten können. Auch damals habe es weder irgendwelche Anklagen oder Verurteilungen gegeben. An ihrer Erfahrung, Stärke und der Unterstützung aus ihren Netzwerken ist der neue Versuch einer allgemeinen Einschüchterung gescheitert. Müller verweist darauf, dass in anderen Fällen ganze „Existenzen vernichtet“ werden. Man müsse sich nur eine 30-jährige Frau vorstellen, die vielleicht noch zwei Kinder hat, nicht gut vernetzt ist und sich dann kaum dagegen wehren kann, für legale Vorgänge an den Pranger gestellt zu werden.
Besonders geschockt hat sie nicht, dass sie sogar in der Bild-Zeitung durch den Dreck gezogen wurde. „Ich weiß ja, wie die arbeiten.“ Sie überlegt aber trotzdem, Anzeigen gegen Medien zu stellen, die sofort zum Beispiel ihren Namen als Anmelderin der Kundgebung veröffentlicht und damit gegen den Datenschutz verstoßen hätten. Das könnte also auch noch teure Konsequenzen für die haben. Auch ein Vorgehen wegen einer rufschädigenden und vorverurteilenden Berichterstattung wird von ihren Anwälten geprüft. Schließlich wurde Müller quasi als Terrorismus-Unterstützerin gebrandmarkt.
Positiv ist für sie aber, dass sich durch die Kundgebungen und die Aufmerksamkeit auch die Lage von Klette verbessert hat. Deren strenge Einzelhaft wurde am Knast in Vechta im April als „Folter“ bezeichnet. Klette hat sich derweil für die Solidarität bedankt. Sie schreibt in einem Brief: „Meine Haftbedingungen haben sich schon sehr zum Positiven verändert.“ So habe sie nun eine Stunde gemeinsamen Hofgang mit anderen Frauen. Sie sei „in einer Zelle ohne Videokamera“ und könne auch ein Fenster öffnen. „Zu dieser Veränderung hat ganz wesentlich die Öffentlichkeit, die ihr hergestellt habt, und die Solidarität von vielen beigetragen.“
Viele Grüße von der Gruppe: Solidarität mit Daniela
Kontakt: