Augsburg: Foltervorwürfe gegen JVA Gablingen
29.10.2024 von Perspektive Online
Eine ehemalige Gefängnisärztin sowie frühere Insassen erheben öffentlich schwere Vorwürfe gegen die JVA Gablingen. Dort seien Gewalt und Foltermethoden gegen Gefangene angewandt worden.
Vorwürfe über gravierende Misshandlungen in der JVA Gablingen haben nicht nur für Entsetzen gesorgt, sondern auch die Staatsanwaltschaft Augsburg auf den Plan gerufen. Auch Bayerns Justizminister Eisenreich hat sich eingeschaltet. Die Anwälte, die die stellvertretende Leiterin der JVA vertreten, weisen Vorwürfe zurück und berufen sich darauf, dass jeglicher Umgang mit den Gefangenen sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften” bewege. Mittlerweile sind jedoch mehrere Disziplinarverfahren gegen JVA-Bedienstete eingeleitet und Betretungsverbote ausgesprochen worden.
Inzwischen haben sich auch die ehemalige Gefängnisärztin Katharina Baur sowie ehemalige Insassen ges Gefängnisses öffentlich zu Wort gemeldet. Baur wirft der JVA Folter vor.
Akten bei Razzia sichergestellt
Am vergangenen Wochenende wurden die Vorwürfe gegen Bedienstete der JVA Gablingen publik. Im Vorfeld hatte die Polizei einen Einsatz in der Haftanstalt durchgeführt, bei dem eine Fülle von Akten beschlagnahmt wurde. Laut Staatsanwaltschaft müssen diese nun gründlich ausgewertet werden – ein zeitraubender Prozess, wie der Augsburger Oberstaatsanwalt Andreas Dobler erklärt.
Inmitten mehrerer Anzeigen und Hinweise laufen jetzt Ermittlungen gegen die stellvertretende Leiterin der JVA sowie weitere Mitarbeiter. Im Fokus steht der Verdacht auf Körperverletzung im Amt. Besorgniserregend ist die Behauptung, dass Häftlinge möglicherweise ohne Kleidung in einem „Besonders gesicherten Haftraum“ untergebracht wurden. Dieser ist beispielsweise für Häftlinge in “Suizidgefahr” gedacht und normalerweise mit einer Matratze sowie einer Papier-Unterhose bestückt. Laut der ehemaligen Anstaltsärztin Katharina Baur soll “zu 80 Prozent” beides gefehlt haben. Auch eine Möglichkeit, sich zu waschen, habe es nicht gegeben. Die Zellen seien den ganzen Tag dunkel gewesen. “Die Insassen haben jedes Zeitgefühl verloren, sie wussten nicht mehr, ob es Tag oder Nacht ist”, so Baur. Dabei seien drei Tage eigentlich die Grenze für das Einsperren im BgH. Laut Baur sei es in Gablingen aber vorgekommen, dass Häftlinge auch zwei bis drei Wochen in den Dunkelzellen verbringen mussten.
Früher seien die Zustände in Gablingen andere gewesen, meint Baur mit Bezug auf Äußerungen von Kolleg:innen. Eine Änderung der Verhältnisse im Gefängnis bringt sie dabei vor allem mit einer stellvertretenden Gefängnisleiterin in Verbinduung.
Darüber hinaus wird den Vorwürfen nachgegangen, dass es zu gewalttätigen Übergriffen von Angestellten auf Gefangene gekommen sein soll. Ein Gefangener etwa berichtete gegenüber dem Bayrischen Rundfunk davon, vor einem Arzttermin von einem Gefängniswärter verprügelt und ins Gesicht getreten worden zu sein. Anschließend sei er in einem BgH untergebracht worden. Ein anderer Gefangener bestätigte die Vorwürfe. Beide haben eidesstaatliche Erklärungen über ihre Hafterfahrungen abgegeben.
Was die rechtlichen Folgen der Vorwürfe und Ermittlungen in Augsburg sein werden, bleibt noch abzuwarten. Die JVA Gablingen ist dabei nicht der erste Fall der letzten Monate, der Fragen über die Vorgänge hinter deutschen Gefängnismauern aufwirft.
So wurde vor etwa zwei Monaten über die Zustände im Krankenhaus des Berliner Maßregelvollzugs berichtet. Dort sollen zwei Patient:innen mehrere Monate in einem Isolationszimmer untergebracht worden sein.
Offen bleibt, ob sich die Zustände in Gablingen verändern. Das Bayrische Justizministerium erklärte dazu zwar: “Für den Fall, dass es zu Übergriffen und Straftaten durch Bedienstete kommt, wird dies konsequent strafrechtlich verfolgt. Gewalt gegenüber Gefangenen oder eine sonstige unangemessene Behandlung von Gefangenen durch einzelne Bedienstete ist zudem eine Verletzung der Dienstpflichten und wird auch dienstrechtlich konsequent geahndet.” Doch die Realität wirft hier Fragen auf.
Katharina Baur hatte auch die sogenannte Folterkommission benachrichtigt. Doch die “wird an der Torwache aufgehalten, bis vertuscht ist. Dann wird sie reingelassen“, so die ehemalige Gefängnisärztin. Für Kontrollen hätten Matratze und Papier-Unterhose immer vor der Zelle gelegen.