angst.jpg
g71.jpg
rheinmetall-entwaffnen.jpg
räte01.jpg
siko2.jpg
pag4.jpg
previous arrow
next arrow

Im Schützengraben mit „Solidarity Collectives“ Schweiz: Zum Vorfall und Übergriff in St. Imier

Dieser Bericht beschreibt die Veranstaltung des „Solidarity Collectives“ zum Thema: “Anarchisten im Krieg: Kritische Analyse der Solidarität im Kontext des Krieges in der Ukraine“.

Gegen jeden Krieg.
 
Dass die AfD in Deutschland über ein Plakat kotzt, das ein Symbol der alten Bewegung gegen Kriegsdienste aufgreift, auf dem ein Gewehr zerbrochen wird, ist schnell klar. Man(n) steht auf Seiten einer Diktatur, die gegen ein anderes Land, die Ukraine, einen Angriffskrieg führt. Eine Diktatur, die man hier auch gerne errichten würde. Und zur Abwehr von Flüchtlingen braucht das „Europa der Vaterländer“ was wohl? Richtig; Militär.

Dass autoritäre Kommunist*innen gegen ein Plakat sind, das sich „Gegen jeden Krieg“ positioniert, dürfte auch schnell einleuchten. Wer für einen sozialistischen Staat ist, braucht Repressionsstrukturen und natürlich auch ein Militär. Ausserdem ist für die Freunde der untergegangenen Sowjetunion nebst der DDR der kriegsrechtfertigende Hauptfeind immer noch und bis in alle Ewigkeiten die NATO. Der Angriff Russlands auf die Ukraine wird folglich als gerechtfertigter Krieg umgedeutet.

Dass die deutschen Grünen gegen ein Plakat sind, das sich antimilitaristisch positioniert und einen zerstörten Panzer abbildet, ist auch klar. Die von der Macht korrumpierten Grünen gehen über Leichen. Das war im Kosovokrieg so, das ist jetzt auch nicht anders. 100 Milliarden für Waffen wurden von einer Regierung durchgewunken, in der die Grünen das Aussen- und das Wirtschaftsministerium stellen. Die Abwehr der russischen Aggression führt diese Partei wieder in den gerechten Krieg, an der Seite der NATO.

Soweit, so klar.

Dass aber auf einem anarchistischen Treffen eben dieses Plakat, auf welchem „Für eine antifaschistische und antipatriarchale Antikriegsbewegung“ geworben wird, von teilnehmenden Menschen herunter gerissen wurde, das ist erstaunlich.

Wir spoilern: Wer das Aufhängen des oben beschriebenen Plakats auf einem anarchistischen Treffen als Angriff umdeutet, sich der anschliessenden Diskussion um den Unterschied zwischen Krieg und sozialer Revolution verweigert, und Antimilitarist*innen körperlich angeht, hat auf keinem anarchistischen Treffen etwas zu suchen. Der*die positioniert sich als Feind*in eines Anarchismus, der historisch Kadavergehorsam, Obrigkeit, Befehl und Gehorsam, Militär, Vergewaltigung und Nationalismus, Mord aus niederen Beweggründen und Militarisierung ablehnt. Der versucht, den antiautoritären Charakter einer anarchistischen Praxis in die Schützengräben zu treiben. Wer es nicht aushält, wenn Menschen das Sammeln von Geldern für Ausrüstung und Waffen für militarisierte Männer, sprich Soldaten unter anderem in den Schützengräben, ablehnen, der hat gebrochen mit dem Anarchismus. Wir reden hier konkret von „Solidarity Collectives“ und deren Umfeld.

Und es ist unerheblich, ob es sich um jene handelt, die ihre „Betroffenheit“ als subjektivistische Begründung für eine militarisierte Position vor sich her schieben, um damit anarchistische Positionen abzuwürgen. Oder ob es sich um jene handeln, die sie aus einem schrägen, identitären Verständnis von “Solidarität“ bedingungslos und unterwürfig die „Betroffenen“ unterstützen.

Wir finden deren Positionen in der WOZ wieder, einer alternativen, in Richtung sozialdemokratisch tendierenden, schweizerischen Wochenzeitung. Oder in den Katakomben und Blasen der Szenetreffs oder in hippen Cafes der akademischen linken Bourgeoisie.

Auf den Punkt gebracht hat die Kritik an „Solidarity Collectives“ zum Beispiel bereits eine Gruppe, die eine Absage der Teilnahme am ABC-Festes in Wien anlässlich der Teilnahme von „Solidarity Collectives“ formulierte (u.a. in Autonomes Blättchen No. 53, Seite 52).

Nun kann sich Eine zu Recht fragen: Warum an Menschen abarbeiten, die eine militarisierte Position vertreten? Vielleicht, weil es jeder Mensch wert ist, nicht in den realen oder ideologischen Schützengräben zu landen? Vielleicht, weil wir nicht brechen wollen mit Menschen, um die wir es wert finden zu kämpfen?

Vielleicht, weil wir andere Mittel gegen Krieg zur Hand haben, als den Militarismus und die Militarisierung der männlichen Psyche - denn es sind vorwiegend Männer, die gerade in den Schützengräben als „Anarchisten“ liegen(die Ausnahmen bestimmen die Regel). Und es sind auch viele Frauen, die diese lautstark unterstützen. Die „Propaganda der Tat“ ist für diese Menschen gerade nationalistische, staatliche Landesverteidigung zu propagieren und umzusetzen. Warum sich also abarbeiten?

Vielleicht, weil der Feminismus schon mal weiter war, was die Analyse von Militär, Krieg, Vergewaltigung und Patriarchat betrifft.

Vielleicht, weil wir etwas zu verteidigen haben; Eine Zukunft, die Militär nicht braucht und nicht die patriarchale Scheisse in ständig neuem Gewandt wieder und wieder aufkocht.

Vielleicht, weil wir letztlich nicht hinnehmen, dass sich momentan Patriarchat und Militarismus neu formieren, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Blase der identitären Anarchist*innen.

Viele haben mit dem „Solidarity Collectives“ und ihrem Umfeld abgeschlossen. Zu Recht finden wir. Wir aber haben bisher diese Menschen, bei allen Widersprüchen, als Teil einer anarchistischen Bewegung wahrgenommen. An diesen Ansprüchen messen wir sie.

Und so nehmen wir einen Vorfall und Übergriff in St. Imier und dessen Rezeption von Kriegsbefürworter*innen in den sozialen Medien und in der WOZ und in der taz nicht hin und zum Anlass, auch daran unsere Position zu verdeutlichen.

Kein Fussbreit dem Militarismus! Kein Frieden für Kriegsbefürworter*innen auf allen Seiten der Front. Gegen jeden Krieg!

Zum Vorfall und Übergriff in St. Imier

Wir befinden uns auf dem anarchistischen Treffen in St. Imier 2023. Über 4000 Besucher*innen. Mehrere hundert Workshops, spannende Diskussionen und Begegnungen. Organisatorisch eine grossartige Leistung! (auch wenn die Orga irgendwann überfordert wurde mit den Konflikten entlang von Queerness, Kolonialismus, Islamophobie und natürlich der Frage von Krieg und Militarisierung).

Unser Bericht beschreibt die Veranstaltung des „Solidarity Collectives“ zum Thema: “Anarchisten im Krieg: Kritische Analyse der Solidarität im Kontext des Krieges in der Ukraine“.

Der „Saal des Spektakels“ war ungefähr gefüllt mit um die 150 Menschen. Auf dem Podium sassen bereits die Veranstalter*innen, unter anderem eine Journalistin der WOZ, von der noch später die Rede ist. Direkt am Eingang hatte „Solidarity Collectives“ einen Stand mit Merchandising aufgebaut. (3000,- Euro sind insgesamt am Ende des Treffens in St. Imier in die Kriegskasse von „Solidarity Collectives“ gespült worden, um u.a. die Soldaten an der Front in der Ukraine zu versorgen.)

Als ein Mensch das Plakat „Gegen jeden Krieg“ an einem eigens herbeigetragenen Tisch abseits des Merchandisingstands aufhängte, wurde damit eine Lawine losgetreten, die das ganze Dilemma militarisierter Praxis aufzeigt. Denn all jene, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in klassischer Kriegslogik beantworten wollen, müssen zwangsläufig jede grundsätzliche antimilitaristische Perspektive verteufeln, damit ihr eigenes Selbstverständnis nicht ins Wanken gerät. Dies zeigt auf, in welche Sackgasse sich „Solidarity Collectives“ bereits hinein manövriert hat.

Denn kaum hatte die Person das Plakat „Gegen jeden Krieg“ (siehe Anhang) aufgehängt, da stürmte ein aggressiver Jungmann vom Merchandisingensstand herbei und forderte die Transgenderperson auf, das Plakat abzunehmen und zu verschwinden. Allen Ernstes glaubte der aggressive Jungmann eigenmächtig Anarchist*innen des Raumes verweisen zu können. Die Transperson sagte ihm, dass sie nicht gehen werde und dass das Plakat hier hängen bliebe und wie er dazu käme über die Anwesenheit von Menschen zu entscheiden. Der Typ fing sofort an laut zu werden, seine Körpersprache war gewalttätig und er machte überhaupt keine Anstalten irgendwie zu argumentieren. Stattdessen riss er das angeklebte Plakat ab und schrie, dass die Person mit den Plakaten verschwinden solle und bedrohte sie körperlich.

Nun gibt es im Feminismus einige Binsenweisheiten. Wenn Du angegriffen wirst, rufe um Hilfe, um eine Situationsveränderung herbeizuführen und den Angriff aus der „Privatheit“ herauszuholen und Gewalttätigkeit durch lautes Rufen sichtbar zu machen. Lautes Rufen stellt Öffentlichkeit her, die eine schützende Wirkung hat oder haben kann. Genau so verhielt sich die Transperson. Sie eskalierte nicht die Situation, sie machte sie öffentlich.

Sie nahm ein weiteres Plakat vom Tisch, hielt es in den Raum Richtung Podium und rief laut und für alle hörbar in den Saal, dass sie angegriffen werde, dass man dieses Plakate heruntergerissen habe, dass das nicht gehe und rief um Hilfe.

Das Podium eilte der Angegriffenen verbal nicht zur Hilfe, sondern verweigerte sie. Eine Frau vom Podium von ABC-Dresden deutete den Vorfall sogar um und forderte auf, die „Störung“ zu unterlassen.

Es bildete sich schnell eine Traube um den kleinen Stehtisch herum und auch andere Menschen von „Solidarity Collectives“ griffen die Transperson verbal und körperlich an. Sie rissen Plakate vom Tisch, beschimpften die Aufhängerin des Plakates als Deutsche, „die hier nichts zu sagen hätte“. Die Angegriffene reagierte mit; „Ich bin nicht deutsch, ich bin arabisch.“ „Aber Du lebst in Deutschland.“, war die Antwort einer Frau aus der Ukraine, die später auch auf dem Podium sitzen sollte. Nationalistische, reaktionäre Zuschreibungen waren nun das Letzte, was eine auf einem Anarchistischen Treffen erwartet hätte. Einer der Angreifer trug ein T-Shirt von „Solidarity Collectives“ mit einer Kalaschnikow und so verhielt er sich auch, indem er der erste war, der die Plakate vom Tisch riss.

Nun kamen aber auch andere Menschen aus dem Publikum und eilten der Angegriffenen zur Hilfe und intervenierten, wieso sie da nicht mit den Plakaten stehen dürfe. Nur die Öffentlichkeit und das Eingreifen anderer Menschen schützte vor weiteren körperlichen Übergriffen.

Eine Frau von der Gesamtorga stellte sich zwischen die aggressive Meute, gab sich als Orgafrau zu erkennen und versuchte zu vermitteln. Sie forderte die Angegriffene auf, das Plakat einzupacken, und nahm die Position der Angreifer ein. Die Angegriffene erwiderte, dass das überhaupt nicht einzusehen sei, schliesslich sei das ein Antikriegsplakat und das müsse hier ausgehalten werden. Dann beschuldigte man die Angegriffene, sie hätte die Plakate auf den Tisch von „Solidarity Collectives“ geworfen, was laut Transperson totaler Quatsch war, sie hätte den runden Ständertisch selber aus einem tiefer gelegenen Stockwerk hochgeschleppt und zwei Meter von deren Tisch entfernt aufgestellt, um gerade nicht mit einer militarisierten Position in Verbindung gebracht zu werden.

Das Podium versagte politisch. Dass sich einzelne Frauen des Podiums im späteren Verlauf zum Teil als feministisch darstellten aber keine Anstalten machten den militarisierten Mann von „Solidarity Collectives“ zurecht zu weisen, obwohl toxische Männlichkeit eines der Probleme ist, mit dem sich Feminist*innen in der Regel herumschlagen müssen, spricht Bände über das taktische Einsetzen des Feminismus zur Begründung der eigenen Militarisierung im Ukrainekonflikt.

Dann kam ein Mensch, der als eine treibende Kraft hinter „Solidarity Collectives“ bekannt ist und nachher als Boris von ABC-Belarus auf dem Podium sitzen sollte (kleine Polemik am Rande: obwohl auch er schon seit geraumer Zeit in Deutschland wohnt) und schlug ebenfalls vor, die Plakate im Foyer unten auszulegen, um anfangen zu können. Da es ja um eine kritische Bewertung der Solidaritätsarbeit in Bezug zur Ukraine gehen sollte und nicht darum, einen transphoben Übergriffe von von testosterongesteuerten patriarchalen Männern abzuwehren, packte die Transperson die Plakate ein und der Tumult löste sich auf.

Doch dieser denkwürdige Übergriff fasste eigentlich schon die ganze Problematik zusammen. Ein Plakat „Gegen jeden Krieg“, das aus einer queeren, antimilitaristischen, anarchistischen, migrantischen und feministischen Position kommt, wurde von Menschen zensiert und als Provokation empfunden, weil es ihre militarisierte Position und Identitätspolitik zum Angriffskrieg Russland gegen die Ukraine in Frage stellt. Die Plakate wurden bereits schon Tage vorher in St. Imier von dem Umfeld von „Solidarity Collectives“ immer wieder abgerissen.

Über den oben beschriebenen Vorfall wurde ein falsches unvollständiges Narrativ verbreitet, unter anderem von der WOZ, über das noch weiter unten genauer zu reden sein wird.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung sah sich die Podiumsfrau, die anfangs der Transperson wegen deren Herkunft den Mund verboten hatte, emotional nicht imstande, das Podium zu besetzen. Nachdem die Menschen von „Solidarity Collectives“ mit ihr geredet hatten, nahm sie auf dem Podium Platz und die Veranstaltung konnte beginnen. Zu ihr sei gesagt, dass sie in Bezug auf den Vorfall zurückruderte und auf dem Podium sagte, dass sie überreagiert habe, um dann aber hinzuzufügen, das gehe ihr so immer, wenn Ukrainerinnen angegriffen würden. Was zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hatte.

Nachdem das Podium drei Runden zu verschiedenen Fragestellungen absolviert hatte, konnte das Publikum Nachfragen stellen, Anmerkungen machen oder auch Kritik äussern. Doch Kritik schien nur vordergründig erwünscht, sobald diese inhaltlich tiefer wurde, wurde zum Beispiel einer älteren italienischen Anarchistin versucht, das Mikrophon aus der Hand zu nehmen. Diese liess sich aber nicht mundtot machen und hielt in der einen Hand das Sauerstoffgerät zu ihrer Atemversorgung fest und in der anderen das Mikro. Also stoppte man die Übersetzung ihres Beitrages. Auch hier sprang der militarisierte Mann ein und rannte die zehn Stuhlreihen nach vorne und sah zum Schlagen bereit aus, zumindest vermittelte das seine Körpersprache, als es gegen einen anderen italienischen Aktivisten der anarchistischen Föderation ging, der sich aus dem Saal zurückzog aufgrund des Übergriffes.

Bevor aber die Diskussion losging wurde schon mal der Rahmen gesteckt: „Hier wird heute nicht über Antimilitarismus geredet. Über Antimilitarismus reden wäre Zensur, weil es hier nur um die Perspektive der Betroffenen geht.“; so die Moderation. Zur Erinnerung; wir reden über einen anarchistischen Kongress und über eine Veranstaltung zum Krieg in der Ukraine. Aus diesem Satz spricht die Angst vor inhaltlicher Konfrontation und ein identitärer Konformismus zugunsten der politischen Linie von ABC-Dresden. Hier wurde der Zensur das Wort geredet, bevor die Anarchie sich zu Wort melden konnte.

In der Folge wurden kritische Nachfragen mit Polemiken abgewehrt oder es wurde darauf nicht eingegangen.

Im weiteren Verlauf wurde vom Podium und aus dem Publikum aber ständig Bezug genommen auf den Vorfall zu Beginn und die Plakatperson als Störfaktor diffamiert. Als diese Stellung beziehen wollte und um das Mikro bat, fiel auf, wie die Frau von der Gesamtorga von St. Imier, die den sich Meldenden im Publikum das Micro zukommen liess , nun um die betroffene Transgenderperson herummoderierte. Sie machte die Redner*innenliste nach machtpolitischen Gesichtspunkten. Alle sich Meldenden bekamen das Mikro, nur nicht die sich meldenden Transperson. Diese intervenierte so lange beim Mikroträger, lehnte dessen Redebeschränkungen ab, was sie sagen dürfte und was nicht, bis sie dann endlich in Rücksprache des Mikroträgers mit der Orgafrau Redemöglichkeit bekam.

Zuerst bedankte sich die Person bei den russischen und ukrainischen Statements vom Podium. Dann ergänzte sie noch in, bei uns hängengebliebenem ungefährem Wortlaut: „Wir wollen die Erfahrungen von Euch und Eure Sichtweisen hören. Wir wollen auch, dass die Menschen in Russland und Belarus, die gegen das Regime kämpfen, aus dem Knast kommen, wie überall. Das steht gar nicht in Frage. Aber das Plakat, das hier ausgehängt wird, ist keine Provokation und keine Störung. Hier wurde behauptet, wir seien zum Stören gekommen. Das ist eine Lüge. Ich wurde hier körperlich angegriffen, weil ich dieses Plakat aufgehängt habe. Das geht nicht. Ein solches Plakat müsst Ihr einfach aushalten.“ Bezogen auf ein Statement vom Podium („wir sind offen für andere Perspektiven“) sagte die Person in ungefährem Wortlaut: „Wir müssen aber über inhaltliche Differenzen reden. Anarchisten haben aus unserer Sicht nichts in Uniformen zu suchen, nicht als Soldaten, nicht an der Waffe eines Militärs. Wir unterscheiden zwischen Militarisierung und Krieg und sozialer Revolution und Selbstverteidigung.“

Boris von „ABC Belarus/Dresden“ kommentierte den Beitrag: „zwischen Krieg und sozialer Revolution unterscheiden“ mit dem Satz: „geh doch nach Russland und mach dort soziale Revolution, oder nach Belarus“ und wischte jeden Brückenbau zu einer Diskussion weg. Für uns ist diese Art der Erwiderung eine taktische Abwertung/Abwehrung, um sich einer kritischen Diskussion zu entziehen.

Die Betroffene berichtete später, wie sie einen Tag danach angesprochen wurde von einer Frau aus Deutschland: „Ihr habt jetzt mindestens sieben Mal Veranstaltungen von „Solidarity Collectives“ gestört. Warum?“ Die Betroffene erwiderte: „Ich habe nicht gestört.“ Die Frau: „Warum gehst Du nicht nach Russland, geh doch nach Belarus.“ Auf dem Niveau lässt sich nicht mehr reden. („Geh doch nach drüben“ hiess das in den 80ern gegen westdeutsche Linke).

Wenn ein Plakat mit einem antimilitaristischen Inhalt auf einem anarchistischen Kongress so einen Sturm auslöst, war es zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der damit deutlich gewordene Skandal und Übergriff besteht darin, dass Kriegsbefürworter*innen einen anarchistischen Kongress als Ort nutzen, um Gelder für die Front zu sammeln und ihre militaristische Propaganda in die anarchistische Szene einstreuen. Der Übergriff besteht darin, eine Person anzugreifen, die im Sinne des Anarchismus ein Plakat aufhängt.

Das Abreissen des Plakat und der Angriff auf die aufhängende Person wurde von der gesamten Struktur von „Solidarity Colletives“ mitgetragen. Die Gruppe hat sich dadurch selbst disqualifiziert. Die Verdrehung von Angreifern und Angegriffenen ist die übliche Umkehrung des Täter-Opfer-Diskurses, um von der eigenen Gewaltausübung abzulenken.

Wir fordern:


Erstens:
Eine öffentliche Entschuldigung von „Solidarity Collectives“ bei der Transperson für den Übergriff.

Zweitens:
Wir fordern „Solidarity Collectives“ auf, die Unterstützung von Soldaten an der Front einzustellen und alle Anarchist*innen aus den Schützengräben rauszuholen. Uns ist klar, dass das nicht sofort geht, vor allem, wenn ein verpflichtender Militärvertrag besteht. Aber dazu fordern wir die Diskussion ein.

(Anarchist*innen haben nichts im Schützengraben nationalstaatlicher Militärs zu suchen – oder sie sind keine mehr. Für uns sind die Menschen in den Schützengräben keine „Comrades“ sondern Soldaten, die wir aus beiden Seiten der Front rausholen und für die soziale Revolution gewinnen müssen. Der ständige Vergleich zu Spanien und den anarchistischen Milizen ist gerade das Gegenbeispiel zur Ukraine. Die Milizen kämpften ohne feste Befehlsstrukturen auf der Basis der Freiwilligkeit und für die soziale Revolution. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg, die Soldaten können nicht einfach die Front verlassen oder als Männer ausreisen aus der Ukraine. Das ist ein militarisiertes Zwangsverhältnis, festgemacht am Körper. Antifeministischer geht’s nicht. Und darüber können auch Frauen im Militär nicht hinwegtäuschen.)

Drittens:
Wir fordern die WOZ auf, die Lüge der beiden Journalisten Kaspar Surber und Anna Jikhareva (siehe Ende diesen Beitrages) einzuräumen und kenntlich zu machen und der Wahrheit Platz einzuräumen über den oben beschriebenen Vorgang. Alle, die unsere Kritik teilen werden gebeten diese Forderung massiv an die WOZ und deren Umfeld heranzutragen. Bitte sendet Mails, sprecht mit allen Mitarbeiter*innen der WOZ. Wir wollen eine antimilitaristische WOZ und nicht ein Mittelstandsblatt, das dem Militarismus Tür und Tor öffnet.

Viertens:
Wir fordern anarchistische Strukturen auf, nicht nur in der Beobachter*innenposition zu verharren, sondern sich zu diesem und anderen Kriegen jenseits der Kriegslogik und den Polarisierungen zu verhalten.Im Sinne des Plakates fordern wir eine selbstbewusste radikale Antikriegsbewegung gegen jeden Krieg ein, die den autoritären Kommunist*innen, der AfD, den Grünen und der Pro-NATO-Position, den Islamisten, etc. das Wasser abgräbt und vor allem andere Perspektiven aufzeigt und umsetzt. Resignation und Ohnmacht spielt nur der Kriegslogik in die Hände

Fünftens:
Wenn es Leute gibt, die Geld sammeln für Waffen und militärische Ausrüstung von „Comrades“ in der Ukraine, fordert sie auf, selbst in die Schützengräben zu steigen. Wer Geld sammelt und andere krepieren oder morden lässt, verdient die Uniform, die Waffe und muss an die Front. Die Bellizist*innen auf allen Seiten, die mit Text und Partys(!) Gelder akquirieren, sich vermeintlich die Hände nicht schmutzig machen und die andere krepieren lassen, kotzen und widern uns an. Sorry, aber so krass muss das mal ausgesprochen werden.

Sechstens:
Wir haben nicht nur das Recht „Solidarity Collectives“ für ihre militaristische, nationalistische, patriarchale derzeitige Praxis zu kritisieren, sondern wir haben auch die Verantwortung dazu. Der Anarchismus ist in seinen gewaltfreien bis bewaffneten sozialrevolutionären Ausprägungen und in seinen politischen Organsiationsformen, von Individualanarchist*innen bis hin zu Syndikalismus immer unterschiedlich gewesen. Die Ablehnung von Herrschaft, Staat, Militär und Krieg waren und bleiben klare Bezugspunkte. Wer Staat, Militär und Krieg und somit Herrschaft das Wort redet ist alles mögliche, aber kein*e Anarchist*in mehr.

Die politische Tragödie, die wir in der derzeitigen Ausrichtung von „Solidarity Collectives“ sehen, verdringlicht es für uns, den Grundsatz „Gegen jeden Krieg“ praktisch werden zu lassen. „Blockieren, boykottieren, desertieren, sabotieren“ steht auf dem Plakat. Zum Teil wird dies bereits getan. So geht es um die Unterstützung von Deserteuren aller Fronten und Fluchthilfe z.B. von BIPoCs aus der Ukraine und auch von kriegsmüden Männern. Doch da ist noch Luft nach oben. Zum Beispiel für antimilitaristische Arbeit in die Reihe der Militärs hinein. Und Blockaden vor Waffenschmieden. Besetzung von Truppenübungsplätzen. Anpöbeln von Soldat*innen in der Öffentlichkeit. Störung von Gelöbnissen….

Siebtens:
Wenn „Solidarity Collectives“ weiterhin Geld für Waffen und Ausrüstung an die Front, an Soldaten schickt, die in einer Verteidigungslinie mit ukrainischen Faschos stehen, die sich einem Militär und staatlicher Verfügungsgewalt unterstellen, dann fordern wir die gesamte antiautoritäre, anarchistische und queer-feminstische Szene auf, „Solidarity Collectives“ und deren Umfeld weder Orte noch Strukturen zu stellen.

Weiterhin fordern wir auf, alle Veranstaltungen von „Solidarity Collectives“ zu besuchen, dort die Diskussion einzufordern. Wir fordern auf, kein Geld mehr zu spenden sondern es Gruppen zur Verfügung zu stellen, die weltweit Deserteure unterstützen.


Nun noch ein paar Worte Zur WOZ Nr.31 3 August 2023 „Im Zweifel für die Praxis“. Nachgedruckt in der taz unter dem Titel „Anständiger Anarchismus“. Geschrieben haben den Artikel : Kaspar Surber und Anna Jikhareva.

Wie die Zensur des Plakates und dessen publizistisches Narrativ Hand in Hand gehen:

Wider besseren Wissens bediente die WOZ aus taktischen und ideologischen Gründen in oben genanntem Artikel zum Anarchistischen Kongress in St. Imier ein Narrative, das die Leader um „Solidatity Collectives“ in die Welt setzten. Das vor sich her getragene Bekenntnis „wir als privilegierte Menschen“ müssen den „Betroffenen zuhören und dürfen nichts in Frage stellen, was die Betroffenen sagen“ ist eine Bankrotterklärung des Politischen. Der Vorfall des Übergriffes gegen die Transperson, die Zensur eines simplen, selbstverständlichen antimilitaristischen Plakates in St. Imier, die Kumpanei des Plenums von „Solidartity Collectives“ mit dem Angreifer auf die Transperson auf dem Anarchistischen Kongress machte die WOZ dagegen nicht zum Thema.

Dem Anarchsimus aber sind Werte zu eigen, die umfassende Herrschaftsfreiheit implizieren. So einfach ist das. Wenn WOZ-Redakteur*innen dem Militarismus eine Lanze brechen wollen, dürfen sie das gerne tun, aber auf einem anarchistischen Treffen haben sie nichts zu suchen. Sie tarnen sich als Anarchist*innen (oder als der Bewegung zugehörige Menschen) ohne welche zu sein. Sie wanzen sich an soziale Bewegungen ran, ohne dazu ein Verhältnis zu haben, sie saugen von der Existenz des anarchistischen Widerstandes, weil wir ihr Job sind, sie betreiben Karriere und vergiften mit Artikeln eine Welt, die sich radikal jedwedem Militarismus verweigern müsste.

Wie machen die beiden Schreibtischtäter*innen das? Die WOZ leitet zu dem oben von uns beschriebenen Vorfall folgenderweise ein:

„Wie arrogant die westliche Weltsicht auch unter Anarchist:innen sein kann, müssen insbesondere Teilnehmer:innen aus Russland, Belarus und der Ukraine erfahren. An praktisch jedem Workshop kommt es zu Belehrungen über den wahren Antimiltarismus.“

Das ist natürlich albern, weil es die Ukrainer*innen, die Russ*innen , die Belarus*innen nicht gibt. Ein identitäres und nationalistisches Konstrukt bedient Zuschreibungen, die jede*r zum Beispiel Ukrainer*in unterstellen die gleiche Position zu haben. Bloss weil die einen lauter sind, sind ihre Positionen nicht richtiger als andere, die es auch gibt und die sich dem Zwang entziehen dem ukrainischen Nationalismus und der Militarisierung das Wort zu reden. Und um diese Einleitung, die nicht der Realität in St. Imier entsprach, zu untermauern, kommt jetzt der Vorfall: „So lässt sich eine Teilnehmerin aus Deutschland auch an einem Podium zu anarchistischen Positionen zum Krieg nicht nehmen, als Erstes lautstark ein Plakat mit dem Slogan „Gegen jeden Krieg“ anzubringen.“

Davon abgesehen, dass das Podium von dem Aufhängen des Plakates völlig unberührt war, weil das Plakat am Ausgang des Raumes aufgehängt wurde und zum Podium mindestens zehn Stuhlreihen dazwischen lagen, ist es aberwitzig, ein antimilitaristisches Plakat zu skandalisieren, was auf einem Podium zu anarchistischen Positionen zum Krieg“ (WOZ) aufgehängt wurde. Wie blöd muss man sein, so etwas Absurdes zu schreiben, wenn es nicht um was ganz anderes geht. Es dreht sich darum, ein antimilitaristisches Plakat als solches schon zu einer Störung umzudeuten – weil es eine promilitarisierte Auseinandersetzung und eine identitäre, nationalistische Haltung grundlegend in Frage stellt. Die Existenz eines solchen Plakates, und das ist die bedeutsame Information für uns Anarchist*innen, ist für Einige schon eine ernsthafte Störung und Provokation, die zensiert, unsichtbar und letztlich ausgemerzt werden soll. Weil die Parole „Gegen jeden Krieg“ die Kraft hat, die Befürworter*innen von Militarisierung, Kriegslogik und letztlich Krieg zu entlarven, weil sie als „Angriff“ empfunden wird und genauso darauf reagiert wird. Mit Zensur.

Für uns bestätigt sich einmal mehr, diese Leute aus anarchistischen Strukturen auszuschliessen, wenn sie ihre fortschreitende Militarisierung nicht unterbrechen.

Die WOZ auf jeden Fall, hat sich in diesem Fall mehr als daneben verhalten, sie lügt, und verdeckt den Übergriff. Und trägt ihn somit mit. Beide Journalist*innen gehören aus unseren Orten rausgeschmissen, wenn sie ihre Lügen nicht öffentlich zurücknehmen.

Ein weiteres pikantes Detail: Auf dem Podium sass eine Journalistin der WOZ! Diese wird selbstredend von Kaspar Surber zitiert. Ohne ihre Funktion kenntlich zu machen. Hier wird die Medienmacht manipulativ eingesetzt, um Meinungen zu erzeugen. Man besetzt Podien mit Positionen, die einem genehm sind und zitiert vermeintlich neutral von diesen Menschen, die hier auch noch als „Betroffene“ eine exklusive Sprechposition verkörpern sollen, um dem gesagten mehr Gewicht zu geben. (Es würde nicht verwundern wenn die Journalistin Anna Jikhareva, die den Artikel mit Kaspar geschrieben hat, sogar identisch mit der WOZ-Frau auf dem Podium war).

Dem Schreibtisch-Bellizisten scheint jedes schäbige Mittel recht um die Diskurshoheit in der Linken über den Krieg zu erlangen.

Der Anarchismus hat schon viele Wirrungen überstanden, er wird auch diese kriegslogikgeleitete Auslegung durch „Solidarity Collectives“ hinter sich lassen.

Anarchist*innen