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Das globale Outsourcing hinter Sozialen Medien und KI

Mit einer interaktiven Karte macht die Initiative Data4Mods auf ausbeuterische Bedingungen im Tech-Outsourcing aufmerksam. Sie visualisiert Datenflüsse und Arbeitsbeziehungen zwischen teils milliardenschweren Outsourcing-Firmen und dutzenden Standorten in Afrika.

von netzpolitik.org   - Ingo Dachwitz - i

Sie sorgen für Sicherheit in Sozialen Medien oder bereiten Daten für sogenannte KI-Anwendungen wie ChatGPT auf: Arbeitskräfte auf dem afrikanischen Kontinent spielen für das Funktionieren der digitalen Welt eine entscheidende Rolle. Trotzdem bleiben sie oft ungesehen. Eine neue interaktive Karte visualisiert nun erstmals die Arbeitsbeziehungen zwischen Outsourcing-Firmen aus Nordamerika, Europa und Asien auf der einen sowie Arbeiter:innen in Afrika auf der anderen Seite.

Entstanden ist die Karte auf Basis einer Befragung dutzender afrikanischer Content-Moderator:innen und Datenarbeiter:innen in afrikanischen Ländern. Die Initiative Data4Mods will damit auf die ausbeuterischen Wertschöpfungsketten der Tech-Welt aufmerksam machen und die intransparente Outsourcing-Industrie beleuchten.

Allein eine Firma macht 15 Milliarden Dollar Umsatz

Insgesamt elf sogenannte „BPO-Firmen“ beleuchtet die Untersuchung. Das ist die Kurzform von „Business Process Outsourcing“ und meint Dienstleister, an die andere Unternehmen Arbeit auslagern, um Kosten zu sparen. Die von Data4Mods dokumentierten BPO-Firmen betreiben 78 Outsourcing-Zentren auf dem afrikanischen Kontinent. Da ist zum Beispiel Telus International aus Kanada, zu dessen Kund:innen Firmen wie Google, AirBnB oder Epic Games gehören. Der Branchenriese machte 2023 einen Umsatz von knapp 15 Milliarden US-Dollar und betreibt Büros in Marokko und Südafrika.

Hugo, ein in Michigan ansässiges Outsourcing-Unternehmen, das Verträge mit Meta und Google hat, betreibt Outsourcing-Zentren in Südafrika, Nigeria und Kenia. Der europäische Branchenführer Teleperformance aus Frankreich wiederum lässt Arbeit in Ägypten, Madagaskar, Marokko, Nigeria, Südafrika und Tunesien erledigen. Mindestens 39 der 54 der afrikanischen Staaten beherbergen inzwischen Outsourcing-Zentren für die globale Tech-Industrie.

Vier der hier dokumentierten Outsourcing-Firmen sind in den Vereinigten Staaten, vier in Europa, zwei in Asien und einer in Kanada ansässig. Dabei erhebt die Dokumentation keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einige bekannte Branchengrößen wie das irische Unternehmen Accenture, das Content Moderation für Firmen wie Meta und TikTok an Standorten wie Mauritius, Marokko und Südafrika betreibt, fehlen auf der Karte bislang.

Gegen die Intransparenz der Outsourcing-Branche

„Trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtungen ignorierten, verzögerten oder beschränkten die Unternehmen häufig ihre Antworten auf Datenanfragen“, sagt Data4Mods dazu. „Diese dokumentierten Hindernisse offenbaren systematische Verletzungen der Rechte auf Datenzugang, insbesondere in globalisierten Outsourcing-Ketten, die von großen Plattformen dominiert werden.“

Die Outsourcing-Branche ist für ihre notorische Intransparenz bekannt. So ist nicht mal klar, wie viele Menschen weltweit überhaupt bei Drittfirmen für das Funktionieren der digitalen Welt schuften. Die Weltbank schätzt ihre Zahl insgesamt auf 154 bis 435 Millionen. Knebelverträge sind im Outsourcing von Content Moderation und Datenarbeit an der Tagesordnung, Arbeiter:innen sprechen von einer Kultur der Angst.

Moderator:innen kämpfen für Gerechtigkeit

Wie schlecht die Arbeitsbedingungen bei vielen Outsourcing-Dienstleistern im Bereich Moderation und Datenarbeit sind, ist trotzdem bekannt. Die Löhne sind niedrig, Kranken- und Altersvorsorge gibt es nicht. Verträge gibt es in der Branche nur wenige Monate – wer Kritik übt oder zu wenig Leistung bringt, ist schnell wieder draußen. Die Arbeitsbelastung ist hoch, weil die Arbeiter:innen ein hohes Pensum schaffen müssen und ihr Fortschritt permanent digital überwacht wird. Auch bei belastenden Tätigkeiten gibt es kaum psychologische Unterstützung.

2022 machte der Whistleblower Daniel Motaung die Arbeitsbedingungen bei der damals für Meta tätigen Outsourcing-Firma Sama in Kenia gemeinsam mit dem TIME-Magazin öffentlich. Erst im vorigen Jahr wendeten sich mehr als 100 afrikanische Content Moderator:innen an den damaligen US-Präsidenten Joe Biden und bezeichneten ihre Arbeitsbedingungen als „moderne Sklaverei“.

Hoffnung machen unterdessen Gerichtsverfahren in Kenia, die zahlreiche ehemalige Moderator:innen gegen Outsourcing-Firmen und ihre Auftraggeber Meta und TikTok führen. Am Ende könnten wegweisende Urteil stehen, das die Tech-Konzerne dazu zwingen könnte, mehr Verantwortung für ihre Arbeitskräfte zu übernehmen. „Es geht uns um Rechenschaft“, erklärte die kenianische Anwältin Mercy Mutemi erst kürzlich im Interview mit netzpolitik.org.

Die Karte

Hinter der Karte steht die Initiative Data4Mods, die Tech-Arbeiter:innen mit Hilfe von Daten ermächtigen will. Sie ist eine Kooperation der African Content Moderators’ Union und der Schweizer Nichtregierungsorganisation personaldata.io.

Teil der Untersuchung war auch eine Datenauskunfts-Kampagne. Hier wollten teilnehmende Personen gegenüber ihren Arbeitgebern Datenzugangsrechte wahrnehmen, um auf Basis von Datenanalysen gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu streiten. Allerdings erhielten nur wenige Personen aussagekräftige Auskünfte.