Schritt für Schritt zum Überwachungsstaat: Automatisierte Datenanalyse mit Palantir?
Die deutschen Polizeibehörden wollen in Zukunft automatisierte und massenhafte Datenanalysen durchführen. Immer mehr Bundesländer könnten dafür auch Palantir nutzen, eine umstrittene Analyse-Software, die dem rechten Tech-Milliardär Peter Thiel gehört.
Seit Jahren wird der Polizei- und Überwachungsstaat in Deutschland aufgebaut: Neue, restriktive Polizei- und Versammlungsgesetze, neue Befugnisse für Polizei und Geheimdienste – das ist derzeit die bestimmende Richtung in der deutschen Innenpolitik.
Ein weiterer Schritt auf der Agenda der deutschen Behörden ist dabei offenbar die Einführung automatisierter Datenanalyse-Werkzeuge. So heißt es in einem Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK), die Mitte Juni in Bremerhaven stattgefunden hat, „dass ein dringender fachlicher Bedarf für die Implementierung einer bundeseinheitlichen Recherche- und Analyseplattform besteht“.
Gemeint ist damit, dass man den deutschen Polizeibehörden ein Werkzeug an die Hand geben will, um – bisher getrennt von einander – bestehende Datenbanken über die Bevölkerung automatisiert zusammenzuführen. Datenschützer:innen haben hier sowohl in Bezug auf die zum Einsatz kommende Software als auch die Daten, die hierfür ausgewertet werden sollen, große Bedenken.
Massenhafte Datenanalyse mit zwielichtiger Software?
Klar scheint zunächst zu sein, dass eine eigene Software-Lösung nicht vor 2026 oder 2027 zur Verfügung stehen wird. Deshalb sehen sich verschiedene Bundesländer nach einer „Übergangslösung“ um – so dringend ist offenbar der Bedarf, die Daten auszuwerten, die aus der massenhaften Überwachung des Volks angesammelt werden.
Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen greifen hierfür bereits auf die Software „Gotham“ der Firma Palantir zurück. Baden-Württemberg möchte nun nachziehen, in Sachsen-Anhalt will die Landesregierung den Einsatz automatisierter Analysesoftware erlauben, macht bisher jedoch keine klaren Angaben darüber, ob auch die Produkte von Palantir als Möglichkeit gesehen werden. Allerdings bleibt fraglich, welche andere Lösung kurzfristig zur Verfügung stünde – eine Nutzung von Palantir-Produkten liegt also nahe.
Das Bundesverfassungsgericht hatte Palantir als Lösung für Bundesbehörden noch im Jahr 2023 eine Absage erteilt. Die Software gilt unter anderem deshalb als umstritten, weil sie zum Firmenimperium des rechten US-Milliardärs Peter Thiel gehört. Dieser hatte einst PayPal gegründet, unterstützt Donald Trump und will die Demokratie abschaffen.
Diese Kritik schien auch bei der IMK Thema gewesen zu sein. So heißt es im entsprechenden Beschluss: „Die IMK stellt fest, dass die digitale Souveränität auch für IT-Produkte der automatisierten Datenanalyse anzustreben ist. Nicht nur die derzeitige geopolitische Gesamtlage erfordert im Sicherheitsbereich eine zunehmende europäische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bei der Auswahl entsprechender IT-Produkte, um deren zuverlässige Beherrschbarkeit und die Rechtskonformität zu gewährleisten, sowie die strukturellen Einflussmöglichkeiten außereuropäischer Staaten (zum Beispiel inhaltliche Datenveränderungen, Datenausleitungen etc.) auszuschließen.“
So meint die Juristin Franziska Görlitz von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) im Tagesspiegel, die Sicherheitsbehörden müssten „unabhängig von Unternehmen wie dem von Peter Thiel mitgegründeten Palantir bleiben, das auch mit autoritären Staaten zusammenarbeitet. Anderenfalls drohen hohe Kosten, Datenleaks und Manipulation.“
Dennoch hat der Bundesrat, also unsere aus den Landesregierungen bestehende Kammer des Parlaments, bereits im März auf die Anwendung der Software in der Polizeiarbeit gedrängt.
Wer gerät ins Visier der Polizei?
Es gibt allerdings nicht nur erhebliche Bedenken an dem Anbieter Palantir, auf den von immer mehr Behörden zugegriffen wird. Auch die Methode der automatisierten Datenanalyse an sich steht in der Kritik. So meint Görlitz, dass die benötigten Analysetools tief in die Grundrechte eingriffen, ohne dass ihr Nutzen belegt sei.
Ob Knöllchen fürs Falschparken, anlasslose Polizeikontrollen, GEZ nicht gezahlt, beim Schwarzfahren erwischt oder an einer Demonstration beteiligt – wer nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren ist, weiß, wie leicht man mit dem Gesetz in Kontakt oder sogar Konflikt geraten kann. All diese Daten, ebenso wie die von Begleitpersonen, Zeug:innen oder Antragsteller:innen von Strafanzeigen könnten von einer entsprechenden Analysesoftware verarbeitet werden.
Auf dieser Grundlage drohen dann schlimmstenfalls polizeiliche Konsequenzen für Personen, wie etwa die Erklärung zur:m Gefährder:in oder ähnliches. Und das, obwohl „bei hochkomplexer Analysesoftware und KI (…) nicht nachvollziehbar“ sei, wie diese Technologien überhaupt zu ihrem Ergebnis kommen, ob sie Fehler machen oder ob sie Menschen diskriminieren würden, so die Juristin Görlitz.
Dass man offenbar bereit ist, diese Grundrechtseingriffe auch mit mehr als fragwürdiger Software vorzunehmen, zeigt einmal mehr, wie auch unter Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) weiter stramm in Richtung Polizeistaat marschiert wird. So hatte er sich auch unlängst in Israel bei einem Besuch mit dort eingesetzter Überwachungstechnologie beschäftigt.






