„Totalüberwachung“ mit KI: Dobrindt setzt auf Palantir bei der Polizei
Nach dem Attentat in Solingen im Sommer 2024 wurde die „Innere Zeitenwende“ ausgerufen. Seitdem versuchen Politiker:innen, den polizeilichen Zugriff auf Gesichtserkennungssoftware durch Künstliche Intelligenz zu ermöglichen. Bisher haben verschiedene Instanzen die Versuche gekippt – aber Innenminister Dobrindt gibt weiter alles.
„In Zukunft sollen alle Bilder und Videos, auf die Sicherheitsbehörden im Internet zugreifen können, automatisiert nach Gesichtern, Stimmen und Bewegungsmustern durchsucht werden. Das wird die Totalüberwachung des öffentlichen Raumes ermöglichen“, fasst Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender der NGO D64, den Themenkomplex zusammen.
Innere Zeitenwende – jetzt so richtig
Gut ein Jahr ist es her, dass die Grünen – damals noch als Teil der Regierung – nach dem Anschlag in Solingen die innere Zeitenwende ausriefen. Statt der Zeitenwende von Scholz geht es hier nicht um mehr Rüstung und Soldat:innen nach außen, sondern eine Aufrüstung nach innen.
Konkret umfasst das den massiven Ausbau der Überwachung und Möglichkeiten dazu und mehr Polizeibefugnisse. Also mehr Kameras, die Nutzung von KI zur Wiedererkennung, oder auch das spontane Einschränken des Versammlungsrechts durch die Polizei.
Im Zuge dieser inneren Zeitenwende sollte schon damals die Möglichkeit geschaffen werden, Überwachungssoftware einzusetzen. Dies wurde jedoch durch den Bundesrat gekippt. Zuvor war es Innenministerin Nancy Faeser gewesen, die einst derartige Pläne hatte.
Nach diesen erfolglosen Vorstößen soll es aber wirklich passieren. Union und SPD hielten bereits in ihrem Koalitionsvertrag fest. Nun soll nach einem Vorschlag von Innenminister Dobrindt für ein neues Sicherheitspaket „die automatisierte Datenrecherche und -analyse sowie den nachträglichen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mittels Künstlicher Intelligenz“ genutzt werden.
Die Anhäufung, Zusammenführung und Auswertung von Gesichter, Sprach- und Bewegungsmustern und vielem mehr, soll nun aber nicht durch Polizeibeamt:innen vorgenommen werden, sondern durch spezielle Softwaresysteme, wie etwa Palantir. Palantir gehört dem Tech-Milliardar und Faschisten Peter Thiel aus den USA.
Was ist Palantir?
Palantir zentralisiert Millionen von Daten und wertet sie in Sekundenbruchteilen auch aus. Zukünftig soll das System dies mit den Daten aller Landespolizeien und eben allem, was es beispielsweise an Fotos im Internet gibt, tun. Bei der Auswertung soll die Software Tat-Täter Zusammenhänge, aber auch potentielle Mittäter:innen oder Zeug:innen erfassen können.
In der Realität bedeutet die Formulierung, Palantir könne „neues Wissen erzeugen“, dass vermutlich Millionen von Menschen grundlos einer Straftat bezichtigt werden können. Doch nicht nur Straftäter:innen sollen herausgefiltert werden: Verschiedene Vorschläge beinhalten, dass auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von dem System profitieren könne. So könnten auch Asylantragstellende durch das System gejagt werden.
Weitergehend sollen so auch psychisch erkrankte Menschen besser überwacht werden können. In Hessen analysiert eine LKA-Taskforce mit Hilfe der Palantir-Software „Hessendata“ Daten von über 1.600 psychisch kranken Menschen, um potenzielle Gefährder zu identifizieren – auf Basis vager Kriterien wie Suizidalität oder Substanzabhängigkeit. Immer mehr Bundesländer folgen diesem Kurs.
Lücken im Gesetz
Aufgrund des massiven Angriffs auf den Datenschutz und der großen Gefahr, die Palantir birgt, gibt es auch viele laute kritische Stimmen. Datenschützer:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen warnen, dass diese Art der Datensammlung Daten illegal ist. Zudem war es zuletzt noch der Bundesrat selbst, der die Einführung der Software kippte. Zurecht wird das Vorhaben immer wieder als „Totalüberwachung“ bezeichnet.
Hierfür soll nun auch eine Lösung gefunden werden. Der Vorschlag der GroKo fasst den Ausbau zum Überwachungsstaat nun bewusst in zwei Gesetzesteile. Der Hauptteil soll nur vom Bundestag, ohne Zustimmung des Bundesrats, entschieden werden können. Der Entwurf aus Dobrindts Innenministerium ist noch nicht final, wird aber bereits zur Abstimmung zwischen den Ressorts herumgereicht.
Sogar die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte Kritik an der vorübergehenden Nutzung von Palantir. Allerdings nicht wegen dem Einsatz von Totalüberwachungsmaßnahmen. Sondern nur, weil dann die Macht über die Daten in den Händen US-amerikanischer Unternehmer, wie in etwa dem Trump-nahen Palantir-Gründer Peter Thiel, liegen würde.
Deswegen solle sich schnellstmöglich eine europäische Alternative finden, mit der die Überwachungsdaten in den eigenen Händen bleiben. Um sich die vorläufige Anwendung zu erleichtern ist im Gesetzesentwurf jedoch ausdrücklich festgehalten, dass „die Zusammenarbeit mit Dritten, auch außerhalb der Europäischen Union“ erlaubt ist.
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