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Kollaps – Gewerkschaften – Neuanfänge

Steff Brenner

Dieser Artikel ist der Auftakt einer Reihe, die die Diskussion um einen Kollaps von Repräsentativ-Demokratie und kapitalistischer Versorgung in den Hauptkonsum-Ländern aufnimmt. In der Serie soll diskutiert werden, welche Rolle...

Von:  - 13. Juli 2025

Dieser Artikel ist der Auftakt einer Reihe, die die Diskussion um einen Kollaps von Repräsentativ-Demokratie und kapitalistischer Versorgung in den Hauptkonsum-Ländern aufnimmt. In der Serie soll diskutiert werden, welche Rolle revolutionäre Konsument:innen- und Produzent:innen-Organisationen bei der Verteidigung der Gesellschaft und dem Kampf um eine lebenswerte Zukunft haben sollten.

Zum Begriff der Kollaps-Politik: Dieser Begriff wird gerade an verschiedenen Stellen linker Debatte geprägt. Es gibt bereits Artikel, Bücher und im Spätsommer ist auch ein deutschlandweites Camp geplant (https://kollapscamp.de/). Ich will zeigen, dass es absolut sinnvoll wäre, wenn sich die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung in diese Debatte einbringt und das sie dazu einiges zu sagen hat.orgosollo13

Grob gesagt verbirgt sich hinter dem Begriff die Annahme, dass die kapitalistischen Kräfte aktuell zu mächtig, die weltweiten, sozialen Bewegungen zu desorientiert und kraftlos sind, um ein erhebliches Ausmaß an Klimaerwärmung noch aufhalten zu können, ebenso wie globale Entdemokratisierung, neue Weltkriegsgefahr und noch viel größere Lücken in der gesellschaftlichen Versorgung durch den Kapitalismus. Autor:innen der Klimabewegung wie Tadzio Müller[4] argumentieren, die globale Linke müsse sich dieser Realität endlich stellen und über ihr weiteres agieren in diesem Kollaps des kapitalistischen Systems und der Repräsentativ-Demokratie diskutieren. In den USA indes hat diese Debatte durch die Verschärfung von Klassenfragen aber auch Regierungsversagen bei Katastrophen wie dem Hurrikan Katrina schon eine Weile unter Begriffen wie „social preparedness“ an Fahrt aufgenommen[5]. Ein weiterer Strang dieser Debatte kommt von der Bewegung der Zapatistas in Mexiko. Diese indigen-kommunalistische Bewegung gilt vielen Linken als eine, der bestvernetzten und weitsichtigsten Bewegungen der Welt. In ihren legendären, oft kryptischen und bis ins clownshafte gehenden Statements sprechen sie in den letzten Jahren auch nur noch von einem großen Sturm, in dem es in den nächsten Jahrzehnten zu überleben und zu überwintern gelte[6]. Die Debatte vom kapitalistischen Kollaps und die um Faschisierung sind dabei zwei Aspekte der selben Verwerfungen, wie u.a. der Krisen- und Faschismusforscher Tomasz Konicz immer wieder heraus stellt. Für die Diskussion in Deutschland ebenfalls sehr wichtig ist die anarchistische Philosophin Eva Redecker die sich in ihren letzten beiden Werken „Revolution für das Leben“ und „Bleibefreiheit“ – v.a. auch aus agrarischer Perspektive – intensiv mit Weltverlust, dem Mensch-Natur-Verhältnis und dem Kampf um eine lebenswerte Zukunft befasst. Wichtig zu erwähnen ist mir durchaus noch, dass jetzt erst von Kollaps zu sprechen, schon den Blickwinkel aus einem westlichen Konsumland verrät. In vielen Teilen der Welt, gab es nie einen funktionalen kapitalistischen Deal, hat das Verhungern, das Sterben von Kindern, die Kinderarbeit, die Vergiftung durch Industriechemikalien nie aufgehört. So sehen sich Bewegungen, wie die Zapatistas nicht ohne Grund seit 500 Jahren dauerhaft im Kampf – und eben mit dem Zusammenbruch ihrer Lebensgrundlagen konfrontiert.

Auch wenn die Umfragen über das Vertrauen in die kapitalistische Versorgung der deutschen Bevölkerung mehr als rar sind, so liegt die Sympathie für den Kapitalismus bei Umfragen doch seit Jahren im Keller, ist der Absatz von Selbstversorgungsliteratur in den vergangenen Jahren explodiert, spüren landwirtschaftliche Direktvermarkter:innen deutlich das Bedürfnis der Konsument:innen nach mehr Sicherheit und auch ein Teil des Erfolgs der Reichbürger:innenszene dürfte sich damit erklären lassen.

Dem gegenüber ist die deutsche Linke oft noch all zu sehr in depressiver Schockstarre gefangen, im Fall der liberalen Linken mit Akteur:innen einer Phantasterei eines „New Green Deal“ wirtschaftlich und politisch all zu verstrickt (und lässt sich hier teilweise in einen haltlosen und systemtragenden Zweckoptimismus einspannen) oder noch im Zustand der Realitätsleugnung und Verdrängung. Ich würde die These wagen, dass mindestens in Ostdeutschland der gesamtgesellschaftliche Durchschnitt die bisherigen ökonomischen und politischen Systeme eher am Ende sieht, klarer hat, dass so oder so ein Wechsel geschehen wird, als die durchschnittliche, deutsche Linke.

Die anarchosyndikalistische Gewerkschaftsbewegung könnte, wenn sie sich auf ihre Wurzeln besinnt, dagegen eines der mächtigsten Werkzeuge sein, um den skizzierten Verwerfungen zu begegnen, die Bevölkerung effektiv zu schützen und den Blick auf eine positive Zukunftsvision bei allem Schlamassel nicht aus den Augen zu verlieren.

In den nächsten Artikeln werde ich auf verschiedene Aspekte dieser Gewerkschaftsbewegung eingehen, wie den Umgang mit Technologie durch Branchengewerkschaften, kollektives Wirtschaften, die Rolle kommunaler Konsument:innenorganisationen und Potentiale eines neuen Internationalismus.

Für Zuschriften und Austausch bin ich wie immer dankbar.